SHADODEX
Verlag der Schatten
Teaser zu den Geschichten aus
“Hale-Bopp -
Im Bann des Kometen”
Anthologie
Als Hale-Bopp am Himmel erschien, begann sich in einem kleinen
Dorf Seltsames zu tun, denn plötzlich gab es anstatt der abend-
lichen Nachrichten immer wieder Beichten von Dorfbewohnern im
Fernsehen.
“… Ich bin Alexander Jonas und wohne ‘Alte Landstraße’ fünf. Seit
Monaten seht ihr mich mitleidig an und haltet mich für einen
Menschen, der vom Schicksal gebeutelt wurde. Vor einem halben
Jahr starb meine drei Monate alte Tochter Sally am plötzlichen
Kindstod, acht Wochen später rannte meine Frau Lara bei Nacht
und Nebel davon. – Dachtet ihr und glaubtet, sie hätte mich, das
Haus und das Dorf verlassen, weil sie mit Sallys Tod nicht klarkam.
– Das ist alles gelogen. Ich bin ihr Mörder. Ja, ihr habt richtig gehört.
Ich habe zwei Menschen ermordet und niemand kam mir bisher auf
die Schliche, weil ich ein perfekter Schauspieler bin. …”
“Schwalben schossen durch die klare Luft, und vereinzelt sah man
bereits Sterne am Abendhimmel. Auch der Komet war, wie zuletzt
jeden Abend, zu sehen. Einen Gasschweif zog er hinter sich her, so
hatte es der Experte neulich im Fernsehen gesagt. Sie verstand
davon nicht viel, aber ein bisschen hatte sie gelacht, als ihr Blick
auf ihren Sauerstofftank gefallen war. Wie ich, hatte sie gedacht,
und seitdem mochte sie das seltsame Himmelsobjekt. Nun nickte sie
ihm jeden Abend zu, wenn sie ihn erblickte, und fand ein wenig Trost
in der kosmischen Verbindung zu ihm.”
Und diese Verbindung bewirkt tatsächlich etwas bei Betty, denn sie
beginnt plötzlich alle Arten von Tieren anzuziehen und irgendwie
geht es ihr immer besser. Warum? Und was hat ein seltsames
Gebilde auf Harris’ Schrottplatz damit zu tun?
“Hale-Bopp zog mit seinem überdimensionalen Kometenschweif
übers Firmament. Mit wachsender Begeisterung beobachtete Ronja
das Schauspiel. Insgeheim bereute sie es, das alte Teleskop mit-
genommen zu haben. Sie hätte sich doch eines der neueren Teile
besorgen sollen, um den Anblick noch mehr zu genießen. So waren
ihre Hände permanent mit einer Neujustierung beschäftigt, bis an
ihre Ohren ein aufkommender Streit zwischen zwei Männern drang.
»”Ich sag’s dir nicht noch mal, Karli, das ist nicht einfach irgendein
Kometenschweif. Bist du blind und siehst nicht, was da runterrieselt?””
Tja, rieselt da wirklich etwas runter? Wenn ja, was? Und was könnte
das bewirken, wenn es tatsächlich auf die Erde treffen sollte? Ihr
hofft, es ist was Harmloses?
Dann kennt ihr Monika Grasl aber schlecht.
“”Mister Samary, woran können Sie sich noch erinnern?”
“Einen Tag.”
“Aus welchem Zeitraum?”
“Etwa ein Jahr.”
Gordon Path lief ein Schauder über den Rücken. Er hatte die
Geschichten von seinen Kollegen überall aus den USA gehört.
Das Phänomen trat nur vereinzelt auf, doch er, Gordon Path,
bekam nun wirklich die Gelegenheit, einen Zeugen zu sprechen. “
Und Abraham Samary, der lange Mann, hat tatsächlich eine
wahrlich unheimliche Geschichte zu erzählen, denn der Ort, in
dem er lebte, ist plötzlich ganz verlassen. Oder etwa nicht?
Und was hat er ein ganzes Jahr lang mit einem leeren Füller
auf Tausende Blätter Papier geschrieben? Was hat Hale-Bopp
in Perkstonville wohl bewirkt? Wo sind sie alle und wieso
kann er sich an ein ganzes Jahr nicht erinnern?
“Sie begann mit dem Licht am Himmel. Ihrer Beschreibung nach
handelte es sich dabei um eine kleine, leuchtende Kugel, die hoch
am Nachthimmel zu sehen war. Sie zog einen breiten Lichtstrahl hinter
sich her sowie einen sehr viel schmaleren, blauen. Ich musste nicht
lange überlegen, um zu wissen, was sie meinte. Sie sprach von
Hale-Bopp. Der Komet hatte das vergangene Jahr dominiert und war
in allen Medien präsent gewesen. Ihr Vater, ihr Bruder und sie
beobachteten den Kometen einige Nächte lang und sie berichtete,
wie er immer größer und heller geworden war. Ich konnte deutlich
sehen, wie sich ihre Ruhe immer mehr auflöste, je mehr sie mir von
dem Kometen erzählte, doch ich wagte es nicht, sie zu unterbrechen.
Ich ahnte bereits, dass wir der Lösung ihres großen Rätsels in dieser
Nacht so nahe waren wie nie zuvor. Hätte ich damals geahnt, zu was
das alles führen würde, hätte ich diese Sitzung auf der Stelle
unterbrochen.”
2020, als die ganze Welt sich mit Corona rumschlagen muss, sitzt
ein Wissenschaftler am Südpol mit noch drei anderen Männern
und beobachtet die Brut der Kaiserpinguine. Doch etwas ist
seltsam am Südpol, denn er entdeckt Ameisensäure, die es dort
gar nicht geben dürfte. Und die hat es in sich, denn bei den
Temperaturen dürfte sie gar nicht mehr flüssig sein. Woher
stammt die Säure? Und was bewirkt sie?
“Mir geht es nicht besonders gut. Das Pinguin-Ei. Ich habe das Gefühl,
ich muss nach ihm sehen. Am nächsten Morgen erwische ich mich
dabei, wie ich es unter mein T-Shirt stecke, als wolle ich ihm Wärme
geben. Wieder brennen meine Augen. Klar, je wärmer, desto reizender
wird Ameisensäure. Aber warum fühle ich mich von dem Zeug wie
magisch angezogen? Warum verfalle ich jedes Mal in meine komischen
Träume, wenn ich diesem stechenden Geruch begegne? Und, was am
schlimmsten ist, warum meine ich ein totes Ei ausbrüten zu müssen?
Wie komme ich auf so eine bescheuerte Idee?”
Wenn Hale-Bopp etwas mit sich bringt, das zur Bedrohung für die
Menschheit werden kann, dann ist man wohl zur falschen Zeit am
falschen Ort …
“Mein Bruder und Elena waren am falschen Ort, aber das waren wir
alle, nämlich auf dieser Welt. Und der falsche Zeitpunkt war das Jahr
1996, in dem Denis einige sehr merkwürdige Verhaltensweisen zeigte,
die so gar nicht zu ihm passten. Als Designer war er zwar schon immer
ein recht kreativer Freigeist, zur Esoterik neigte er aber, soweit ich
wusste, nie. Anfang des Jahres 1996 redete er jedoch ständig über
die Mysterien, die er in den Tiefen des Weltalls zu finden hoffte.
Nicht nur einmal beobachtete ich ihn dabei, wie er am Fenster stand
und angespannt in den Himmel starrte. Ich fragte mich, was er dort
sah.”
Tja, es war ein blaues Leuchten. So viel sei verraten. Doch was hat
es damit auf sich? Und was bewirkt es?
“Die Geburtshelferin kramte ihren Mut zusammen und unterbrach
die Tante. “Aber in ihren Augen leuchtete der Komet. Er kreuzte den
Aszendenten genau um die Geburtszeit.” Die Hebamme seufzte und
strich sich fahrig die grauen Haare aus der Stirn. “Das macht mir Angst,
Ludmilla. Dieses Kindlein … da ist etwas … etwas Unheimliches!”
Wieder war das Blättern von Papierseiten zu hören. Eine mysteriöse
Stille breitete sich im Stationszimmer aus. Dann hörte man die alte
Dame am Telefon heftig atmen.
“Oh mein Gott! Sibylle! Oh mein Gott!”
Ja, Hale-Bopp war nicht nur eine spektakuläre Himmelserscheinung,
er hatte auch Einfluss auf die Sternzeichen. Und manchmal war
dieser wahrlich gravierend - wie bei Jacintha Angstetter, die …
Das wird natürlich nicht verraten …
25 Jahre ist es her, dass Hale-Bopp am Himmel zu sehen war. Und
auch David erinnert sich daran, wie es damals war, denn er hat
etwas ganz Seltsames erlebt in der Nacht des 1. April 1997. Und
diese Geschichte will er endlich mit jemandem teilen. Deshalb er-
zählt er sie seinem Pfleger im Krankenhaus.
“”Wissen Sie, ich denke nicht, dass Sie nur ein Wort von dem glauben
würden, was ich Ihnen erzählen könnte. Aber wir können es ja mal
versuchen, und wenn es so ist, wie ich es mir denke, dann gehen Sie
aus diesem Zimmer und wir beide verhalten uns so, als sei ich ein
alter, seniler Mann, der nicht mehr alle Tassen im Schrank hat, und Sie
ein Pfleger, der sehr schnell vergisst, was er da gehört hat.
Abgemacht?””
Tja, der Pfleger glaubt ihm tatsächlicht nicht, bis …
Irgendetwas ändert plötzlich seine Meinung. Aber was?
“Es begann, als der Komet am Himmel erschien. An jenem Morgen
wurde mein Vater von seinem Spiegelbild angegriffen. Meine Eltern
verstanden erst später, dass es sich um einen Angriff handelte.
Eigentlich hatte das Spiegelbild nur nach meinem Vater gegriffen,
aber dies reichte aus, um unsere Familie unwiderruflich zu verändern.”
Wenn Hale-Bopps Auftauchen Portale in eine andere Welt öffnet
und von dort Doppelgänger über unsere Spiegel nach uns greifen,
um uns zu ersetzen … Was dann? Spiegel einfach zuhängen?
Na, wenn das mal so einfach wäre.
“Offenbar traten, ausgelöst durch den Kometen, Risse in unserer
Realität auf. Durch diese Risse würden Portale in eine andere Welt
geöffnet, die es deren Bewohnern ermöglichten, in unsere Welt zu
gelangen.”
Gibt es vielleicht heute noch solche Doppelgänger, die unerkannt
unter uns wandeln? Wenn ja, was haben sie wohl vor?
“Das letzte Mal, dass er ängstlich einen Fuß vor seine Tür gesetzt hatte,
war vor zwei Stunden gewesen. Nur wenige Schritte, um zum
Nachthimmel emporzuschauen und erneut dieses Objekt zu sehen,
das die Verdammnis über die Stadt bringen würde. Es war mittlerweile
so nahe, dass er meinte es greifen zu können. Nur zu gern hätte er es
tun und in die tiefste Unterwelt schleudern wollen, um die nahende
Katastrophe zu verhindern. Es war der Auslöser. Daran hatte er nicht
den geringsten Zweifel mehr, erschien dieses Objekt doch ebenfalls
innerhalb seiner Visionen.”
Die Stadt, von der oben die Rede ist, ist Pompeji. Doch was hat das
Schicksal der Stadt mit Hale-Bopp zu tun und mit einem seltsamen
Fund, den man in einem Grab nahe der Ruinen von Pompeji
entdecken wird?
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Als der Halleysche Komet 1910 bei uns am Himmel zu sehen war,
geschah etwas Seltsames. Ein Buch tauchte auf, das Charles noch
nie gesehen hatte. “… Erst später begriff ich, dass dieses verfluchte
Buch von mir – und nur von mir – gefunden werden wollte. Stell dir
meine Überraschung vor, als ich den Titel auf dem Rücken des
Quartbandes las: Leben und Abenteuer des Charles Robert Melmoth,
Esq. Mein Name, mein eigener Name in goldgeprägten Lettern auf
dem Rücken eines kalbsledernen Einbandes! … Ich las, wie mir in
diesem Moment mit ganzer Wucht die Bedeutung dieses Funds
aufging: Dieses teuflische Buch beschrieb nicht nur mein vergangenes
Leben, sondern auch meine Zukunft – eine Zukunft, die ich noch
ungeschrieben glaubte. …”
Ist es möglich, dass dieses Buch im Schweif des Kometen
erschienen ist und wirklich seine Zukunft beinhaltet?
Bis 1995 der Komet Hale-Bopp entdeckt wurde, war in der kleinen
Stadt Hellshelter die Welt noch in Ordnung. Dort lebte die Glaubens-
gemeinschaft “Freikirchler des Heiligen Geistes”. Zu denen gehört
auch die fünfzehnjährige Imsy, die immer wieder durch sich
tatsächlich erfüllende Prophezeiungen auffiel. Und als die Kunde
vom Kometen eintraf, hatte Imsy eine weitere im Gepäck:
“So wie einst das Gute mit der Liebe unter einem Sternenschweif in die
Welt geboren wurde, reitet nun das leibhaftige Böse auf dem Schweif
des Kometen. Der gefallene Engel, schwanzbewehrte Ziegenfüßige,
gleitet in Hellshelter in Gestalt eines Menschenkindes in die Welt.”
Mit dem Finger zeigte sie auf Bethany, während sie ihren Oberkörper
aufrichtete. “Du trägst die Frucht des Übels, das Verderbnis von
Menschlichkeit, Gnade und Güte. Du maskierst ihn, bietest ihm Raum
in deinem Leib, um gedeihenund wirken zu können. Tötet es, es sei
verdammt. Tötet es, es sei verdammt. Tötet es.”
Die nächste Geschichte beginnt so: “Der Komet leuchtete am Nacht-
himmel, aus den Boxen des Autoradios erklangen lahme Oldies und
ich hing düsteren Gedanken nach. Mein Vater saß am Steuer und
summte leise etwas, das er wohl für eine Melodie hielt, meine Mutter
verdrehte den Kopf, um noch einen Blick auf das bescheuerte
Himmelsobjekt zu erhaschen, und mein kleiner Bruder neben mir
beschäftigte sich mit etwas, das mich noch viel weniger interessierte.
Es war nicht meine Idee gewesen, am späten Abend zu einem
Aussichtspunkt auf irgendeinen Berg zu fahren, sich dort die Beine
in den Bauch zu stehen und von Mücken stechen zu lassen, nur um
etwas zu betrachten, das man auch morgen noch sehen konnte. Oder
übermorgen. Oder gar nicht.”
Da ist einer also gar nicht begeistert. Kein Wunder, denn der Ausflug
soll tatsächlich noch zum Horrortrip werden. Er weiß es nur noch
nicht.
Inkl. Bonus-Geschichte “Die offene Tür” von
Bettina Ickelsheimer-Förster